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Pressemitteilung

25.10.2021

In kleinen Wiesengräben steckt großartiges Leben

Die Helm-Azurjungfer
Die Helm-Azurjungfer ist eine von drei Flaggschiffarten, deren Ökologie, Gefährdungsursachen und Schutzmaßnahmen in der Online-Fachveranstaltung näher vorgestellt wurden
Quelle: ©Daniel Doer_LEV Bodenseekreis

Wie können kleine Fließgewässer so gepflegt werden, damit seltene Tier- und Pflanzenarten geschützt werden?

Online-Tagung der Umweltakademie (21.10) zeigt praxisnahe Wege zum Schutz auf

Stuttgart: Helm-Azurjungfer, Bachmuschel, Steinkrebs: Welche seltenen Tiere leben in Wiesenbächen und -gräben? Warum sind diese Arten gefährdet? Und wie werden diese kleinen Fließgewässer optimal gepflegt? Wie man Artenvielfalt an kleinen Bächen und Gräben erhalten und fördern kann, darum ging es bei der Online-Tagung der Umweltakademie Baden-Württemberg „Wiesenbäche und -gräben: Herausforderungen und Chancen für die Rettung der Lebensadern der Kulturlandschaft“ am 21. Oktober in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Bodenseekreis und dem Landschaftserhaltungsverband Bodenseekreis e.V..

„Im Bach und an dessen Ufern tummeln sich auf engstem Raum zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Aber sie sind akut bedroht: etwa durch invasive Arten oder durch den Klimawandel und auch immer noch durch gravierende Fehler, die bei ihrer Pflege gemacht werden,“ erklärte Hiltrud Wilhelmi von der Umweltakademie Baden-Württemberg zum Auftakt der online-Veranstaltung, die mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf großes Interesse stieß.

Vielfältiges Leben - vom Aussterben bedroht

Dass in Wiesenbächen viel Leben drinsteckt, zeigte Dr. Holger Hunger vom Naturschutzbüro INULA in Freiburg am Beispiel der Helm-Azurjungfer auf. Der Libellenexperte erklärte, dass viele Bewohner an kleinen Fließgewässern oft im Verborgenen lebten, nur einige Bewohner wie die schillernden Libellen seien auffällig.

„Steinkrebs und Bachmuschel sind ursprüngliche Vertreter der kleinen Fließgewässer und Gräben in ganz Baden Württemberg, so auch im Bodenseekreis. Inzwischen sind die beiden ökologisch sehr bedeutsamen Arten aus vielen Gründen akut vom Aussterben bedroht. Die Rettung der letzten Vorkommen stellt eine (bislang) nicht gelöste Herausforderung für alle Beteiligten dar,“ ergänzte Michael Pfeiffer vom Limnologie-Büro gobio in March-Hugstetten.

Auf die richtige Pflege kommt es an 

Mit der richtigen Gewässerpflege kann Naturschutz und Wasserwirtschaft unter einen Hut gebracht werden. Praxisnah zeigten Dieter Schmid von der Unteren Naturschutzbehörde und Carmen Kiefer von der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Bodenseekreis, auf was es bei der Ufer- und Gewässerpflege ankommt:

Wichtig bei der Uferpflege sei das Mähen und das Abräumen des Mähguts, statt zu mulchen. Außerdem müsse der Gewässerrandstreifen, der ohnehin geschützt sei, auch unbedingt von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln freigehalten werden. Störungshindernisse wie Äste im Wasser sollten ab und an beseitigt werden und die Drainagen in den Gräben freigehalten werden. Am besten man gehe dabei abschnittsweise an den Fließgewässern vor, so die Experten vom Landratsamt.

Am Beispiel der Stadt Tettnang, die seit 2010 ihre Biotopverbundplanung mit integriertem Biodiversitätscheck umsetzt, zeigte Dr. Ulrike Schuckert von Landschaft 4.0 aus Ludwigsburg auf, dass auch die Habitate wertgebender Arten an Wiesenbächen von der Aufrechterhaltung traditioneller Landnutzung abhängig sind. „Es gilt daher die überkommene, von Handarbeit dominierte Bewirtschaftung mit maschinellen Methoden zu simulieren,“ so Dr. Schuckert.

Es herscht Alarmstufe Rot

Impulse kamen zum Abschluss von Daniel Doer vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) Bodenseekreis, der den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kurz das bisherige Engagement des LEV zur naturschonenden Gewässerunterhaltung vorstellte. Kernstück ist das Faltblatt „Wiesenbäche und -gräben. Hier steckt viel Leben drin!“, das im März 2020 gemeinsam vom LEV und der Unteren Naturschutzbehörde des Bodenseekreises herausgegeben wurde. Dort findet sich neben einer kurzen Vorstellung von Helm-Azurjungfer, Steinkrebs und Bachmuschel auch deren Verbreitung im Bodenseekreis. Wesentlicher Bestandteil sind Hinweise für eine naturschutzgerechte Gewässerunterhaltung und -entwicklung und die entsprechenden Ansprechpartner in Behörden und beim LEV. Damit erhielten die Teilnehmenden wertvolle Tipps für eine Umsetzung in ihrem Wirkungskreis.

Die Experten für Wiesengräben und -bäche mahnten: Es herrsche Alarmstufe Rot im Hinblick auf die Vielfalt der Arten. Die vier Vorträge der online-Veranstaltung spannten einen weiten und sorgfältig aufeinander abgestimmten Bogen in Bezug auf die Herausforderungen einerseits und die Chancen andererseits, die es bei der dringenden Rettung dieses immer noch unterschätzten Gewässertyps und der darin vorkommenden, teils hochgradig bedrohten Arten, gibt.