angle-left Kooperation statt Konfrontation: langjähriger Akademieleiter Claus-Peter Hutter zieht Bilanz

Jubiläum

23.06.2021

35 Jahre Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg

Kooperation statt Konfrontation: langjähriger Akademieleiter Claus-Peter Hutter zieht Bilanz

Stuttgart. „Es ist paradox: Möglichkeiten, sich zu informieren gibt es dank der Digitalisierung mehr denn je. Trotzdem nimmt das Wissen um Natur, Landschaft, Land-wirtschaft und Heimat immer mehr ab,“ beklagt Claus-Peter Hutter, bis Ende Juni 2021 Leiter der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg.

Anlässlich des 35 jährigen Jubiläums der Akademie in diesem Jahr zog Hutter beim Online-Kongress „Wege zur Nachhaltigkeit – 35 Jahre Umweltakademie“ am 22. Juni 2021 Bilanz und sieht „die Wissenserosion in Sachen Umwelt – wie er die Situation beschreibt – in gleichem Maße als Herausforderung für die Zukunft wie das weltweite Artensterben und der Verlust der Biodiversität“. Anders als vor 35 Jahren sei heute das Bewusstsein für Naturbewahrung und einen nachhaltigen Lebensstil in der Bevölkerung größer, es fehle jedoch zunehmend an Wissen und schlicht an der Umsetzung und an den Inhalten. „Der Spagat zwischen Umweltbewusstsein einerseits und nachhaltigem Handeln andererseits wird immer größer. Es wird zu-nehmend schwieriger, engagierte Menschen mit gesundem Menschenverstand zu finden, die sich für Natur und Heimat auch praktisch betätigen. Denn nachhaltiger Lebensstil heißt nicht nur, auf Reisen zu verzichten und weniger Fleisch zu konsumieren, sondern es geht darum, sich aktiv für Naturbewahrung einzusetzen – etwa durch die Pflege von Obstwiesen, das späte Mähen von Wiesen und das In-standsetzen von Trockenmauern,“ so Hutter, der die Umweltakademie seit 1986 zu einer weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzten Institution aufbaute.

Rückblick und Vorschau

Zur Bilanz der Umweltakademie gehören nicht nur 14.000 Seminare, Kongresse und Aktionstage mit 170.000 qualifizierten Multiplikatoren und Ausstellungen mit insgesamt zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern, sondern auch außergewöhnliche Aktionen wie Schaf-, Schweine- und Rindertriebe mitten durch die Stuttgarter City, das größte Gsälzbrot der Welt sowie ein Climate Refugee Camp als Kunst- und Umweltaktion auf dem Schillerplatz in Stuttgart – Jahre bevor sich die Flüchtlingskrise zuspitzte. Nach dem Credo „Naturbewahrung mit und nicht gegen Menschen“ gelang es Hutter und der Umweltakademie den bis in die 80er-Jahre weitgehend im eigenen Sumpf schlummernden Naturschutz aus dem Schattendasein zu holen, aus Ekeltieren wie Fröschen und Kröten Sympathieträger werden zu lassen und das Themenspektrum Ökologie – bevor es zu einem allgemeinen Begriff wurde – als Herausforderung und Aufgabe für alle gesellschaftlichen Bereiche zu definieren.

„Es uns in den vergangenen Jahren gelungen, vielfach aus Konfliktgegnern, Konfliktpartner zu machen und durch Kooperation statt Konfrontation, Umweltbildung und Nachhaltigkeitskommunikation in Baden-Württemberg und darüber hinaus ökologische Themen weit in die Gesellschaft hinein zu tragen.“ Im Vordergrund stand dabei seit Beginn an der lösungsorientierte Ansatz. Denn, so Hutter: „Dem Feuersalamander ist es egal, ob er von grüner, schwarzer, roter oder gelber Politik und entsprechenden Strukturen in der Verwaltung oder der Wirtschaft geschützt wird.“

Claus-Peter Hutter wird sich künftig vermehrt für einen unverkrampften Umweltdialog von Wissenschaft, Umweltbildung und Naturschutzpraxis außerhalb der Umweltverwaltung einsetzen.

35 Jahre Umweltakademie – eine kleine Bilanz/Hintergrund


Mit der Einrichtung der Umweltakademie vor 35 Jahren hat das Land Baden-Württemberg ein Forum für den breiten gesellschaftlichen Dialog in den Bereichen Naturbewahrung, Landschaftsschutz, Umweltvorsorge und nachhaltiger Entwicklung geschaffen. Von Anbeginn an war es Ziel der Akademie, Umweltthemen nicht isoliert zu betrachten, sondern als übergreifende Themen in die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche hineinzutragen und durch einen partizipativen Ansatz möglichst viele Menschen zum aktiven Handeln zu motivieren. Breite Ehrenamtsförderung
war und ist dabei ein wichtiger Schwerpunkt. Dass der eingeschlagene Weg richtig ist, vielfältige, konkrete Ergebnisse erbringt und so positive Spuren hinterlässt, zeigt das große Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Bildungs-Veranstaltungen der Akademie und viele Anfragen die gar nicht alle aufgegriffen werden können. Die breite Palette der erarbeiteten Themen der letzten 35 Jahre sowie die daraus erwachsenen Projekte sind konkrete Beiträge zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Mit vielerlei Impulsen zur nachhaltigen Entwicklung hat die Umweltakademie Standards gesetzt, die heute von zahlreichen Instiutionen, im Land, auf Bundesebene und auch im Ausland in der Praxis angewandt werden.

 

  • mehr als 75.000 Seminarstunden an rund 14.000 Seminartagen.
  • Netzwerk mit über 3.150 Referentinnen und Referenten aus verschiedensten Bereichen
  • über 170.000 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bei den Seminaren, Workshops, Kolloquien, Symposien und Kongressen der Umweltakademie und die Zusammenarbeit mit rund 360 Veranstaltungspartnern und -partnerinnen jährlich.
  • Die Amtsausübung während der Zeit von 9 Umweltministern und -ministerinnen, über 60 Praktikantinnen und Praktikanten sowie 20 Zivildienstleistende bzw. Bundesfreiwilligendienstleistende
  • Landesnetzwerk Umweltbildung und nachhaltige Entwicklung mit über 1.600 Partnern
  • Qualifizierung von über 2.000 Haus- und Betriebsmeistern in Sachen Energiemanagement, Energieeffizienz und Klimavorsorge
  • Über 1800 BANU*-zertifizierte Natur- und Landschaftsführer/innen
  • Mehr als 35.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den »Schwimmenden Seminaren« auf Bodensee, Rhein und Neckar.
  • Aufbau eines landesweiten Biodiversitätsschutz-Netzwerkes mit 900 ehrenamtlichen Fachberaterinnen und –beratern bzw. Mentoren
  • Fortbildungen von rund 1.100 haupt- und ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern von Bächen und Flüssen
  • Schulung von rund 1.600 Mitarbeitern von Bauhöfen, Stadtgärtnereien und Straßenmeistereien zu Kostenminimierung und naturnahem Grünflächenmanagement
  • Fortbildung von über 1.600 Feuerwehrleuten zu Fragen der umweltgerechten Gefahrenabwehr, des Naturkatastrophenmanagements und der Hochwasservorsorge
  • Schulung von rund 8000 Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrern zur frühkindlichen Naturerziehung als Basis für Handlungskompetenz bei Kindern und Jugendlichen
  • Zwei Millionen Besucherinnen und Besucher bei den Sonderausstellungen der Umweltakademie in den Akademie-Natur-Info-Centren, bei Landesgartenschauen, im Zoologisch-Botanischen Garten der Wilhelma und an vielen anderen Orten
  • Rund 60 Fachbücher/Tagungsdokumentationen der Reihe „Beiträge der Akademie“, den „Grundkurs Nachhaltigkeit“, rund zwei Duzend pädagogisch didaktische Leitfäden sowie
  • 15 Spiel-, Rate-, Anmal- und Vorlese-Kinderumweltbücher als pädagogisch-didaktische Materialien für die vorschulische Umwelterziehung. Die jüngste Ausgabe „Mit Quick dem Frosch der Natur auf der Spur“ wurde Anfang 2021 rund 160 000 Kindern in den 8000 Kindergärten im ganzen Land zur Verfügung gestellt.